Dienstag, 9. Dezember 2014

#MOMSROCK

Ich möchte mein Kind glücklich machen und doch gibt es tausende kleine Momente, in denen ich einfach nicht mehr kann oder möchte. Wo scheinbar alles schief läuft und ich mich notgedrungen frage: Bin ich eine gute Mama? Mach ich das hier alles richtig?

Erst vor zwei Tagen bin ich - nach einem tollen Abend auf dem Weihnachtsmarkt - mit meinem Keks nach Hause gekommen, es war spät und er musste ins Bett. Er hat ein bissschen rumgetrödelt, weil er doch noch gar keine Lust auf Schlafen hatte und ich habe ihn ermahnt, sich ein bisschen zu beeilen. Das fand er so doof, dass er angefangen hat, zu weinen. Nicht, dass ich es besonders harsch oder laut gesagt hätte, aber seine Müdigkeit und meine Ermahnung haben bei ihm einfach einen wunden Punkt getroffen. Er fängt also an, zu weinen und ich frage ihn, was er denn jetzt hat. "Ich weine nur, weil ich meinen Papa so vermisse." - BÄÄÄÄÄÄÄÄM, das sitzt dann erstmal. Ich weiß, dass er das immer macht, wenn er einfach aus einem Grund weint, den er selbst nicht richtig nachvollziehen kann. Trotzdem tut es weh und an diesem speziellen Tag war bei mir auch ein Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr konnte. ER wollte auf den Weihnachtsmarkt, ER wollte einen Punsch, ER wollte eine Bratwurst und natürlich wollte ER auch noch gebrannte Mandeln. Ich hab ihm seine Wünsche erfüllt, weil es der erste Tag im neuen Kindergarten war und weil ich fand, dass er es verdient hatte. Und dann kommst du nach Hause und er sagt dir, dass er seinen Papa vermisst. Wie hab ich's gelöst? Ich hab ihm angeboten, dass wir seinen Papa fragen können, ob er mal für länger dort bleiben kann. Wenn er ihn so vermisst, dann kann er doch auch mal einen ganzen Monat dort bleiben. "Nein Mama, das will ich nicht. Beim Papa ist es doof und ich bin viel lieber hier bei dir."

Das Thema war dann relativ schnell vom Tisch und trotzdem denke ich noch drüber nach. Warum sagt er sowas? Mache ich etwas falsch in seiner Erziehung? Bin ich ihm keine gute Mama? Ich hab superviel drüber nachgedacht, nicht geschlafen.
Soll ich euch sagen, was rausgekommen ist? NEE!!!! Sowas machen wir grad mal gar nicht. Solche Gedanken sind doof und haben in meinem Kopf keinen Platz.

Und warum? 
Ich erziehe den Keks alleine, seitdem er ungefähr 17 Monate alt ist. Wenn man ganz ehrlich ist, habe ich das auch schon alleine gemacht, als wir noch mit seinem Papa zusammen gewohnt haben (was jetzt im Detail auszuführen ein bisschen länger dauern würde). Wir hatten keine einfache Trennung und der Keks und ich haben eine Weile gebraucht, um uns in der neuen Situation zurecht zu finden. Wie das so ist, wenn sich Mama und Papa eben trennen. Rückblickend muss ich aber feststellen, dass uns das so eng zusammengeschweißt hat, dass ich sehr stolz auf uns beide bin. Ich hatte alle guten Momente mit meinem Sohn und ja, auch die schwierigen Situationen hab ich alleine gemeistert. Es ist einfach mal niemand da, der nachts um halb drei aufsteht, wenn das Kind schlecht träumt, furchtbar hustet, beschließt, jetzt spielen zu wollen. Der Keks und ich sind da zu zweit durch. Als ich erfahren hab, dass ich schwanger bin, hab ich mir nicht eine Sekunde lang Gedanken gemacht, wie ich mein Kind denn dann mal erziehen möchte. Autoritär? Ganz frei? Wie lange soll er gestillt werden? Ab wann kann ich mein Kind fremd betreuen lassen? 

* Ich hab immer zu einhundert Prozent auf mein Gefühl gehört - kann ich meinem Keks das schon zumuten, ist das wirklich gut für ihn? Und wann immer die Entscheidung NEIN war, dann hab ich es gelassen. Selbst, wenn das negative Konsequenzen für mich hatte. Ich glaube, dass das dazu geführt hat, dass der Keks mir jetzt - mit fünf Jahren - vertraut, wie er es eben tut. Mama macht nichts, was nicht gut für mich ist. 
* Außerdem achte ich superstark drauf, ihn wie einen Menschen zu behandeln, nicht wie ein Kind. Ich spreche schon immer ganz normal mit ihm, ohne Babysprache. Wenn ich etwas entscheide, dann erkläre ich ihm die Grundlage, auf der ich das entschieden habe. So, dass er immer nachvollziehen kann, warum er etwas darf oder eben auch nicht darf. 
* Zu guter Letzt ermutige ich ihn immer, über seine Gefühle zu sprechen. Sowohl die positiven als auch die negativen. Er weiß, dass er mir sagen kann, wenn ihn etwas glücklich macht und genau so ist es völlig okay, wenn er einfach mal so weinen möchte, weil er einen schlechten Tag hat oder weil irgendwas nicht passt. 

Das alles führt zu den lustigsten und schönsten Situationen:
  • Wir sind im Supermarkt und der Keks entdeckt einen Kindertee, den er haben möchte. Es wäre der hundertachtzigste Früchtetee, der im Schrank steht und wir brauchen ihn wirklich nicht, nur weil Capt'n Sharky drauf ist. Ich erkläre ihm, dass wir schon viele Tees haben und den nicht auch noch kaufen werden. "Okay Mama, aber kannst du dir dann merken, dass ich den Tee haben möchte und dann kaufen wir ihn, wenn alle anderen Tee'e (ja, kann auch Plural sein) leer sind?" Wir laufen weiter, ein Kind etwa in Keks-Alter hat einen Wutanfall, weil es keine Bärchenwurst haben darf. "Tja Mama, das Kind weint, wenn es etwas nicht haben darf aber ich weiß, dass wir den Tee irgendwann mal kaufen können und deshalb muss ich gar nicht weinen."
  • Wir sind unterwegs, es wird etwas später und ich sage dem spielenden Keks, dass wir so langsam mal aufbrechen. Erst will er rumzornen. Plötzlich schaut er mich an und sagt "Mama, weißt du, ich hab nur eben so gezornt, weil ich traurig und wütend bin, dass wir jetzt schon gehen wollen und ich möchte doch noch spielen."
  • Wir sind mit anderen Eltern auf dem Spielplatz vor dem Haus. Ich frage den Keks, ob ich ihm ein Stück vom Kuchen holen soll, das wir früher am Tag gebacken haben. "Ja Mama und warte, ich frage die anderen und auch die Eltern, ob sie auch ein Stück haben möchten."
  • Der Neue darf den Keks am zweiten Tag schon in den Kindergarten bringen. Ich bin verwundert, weil ich das so nicht kenne. "Aber Mama, du musst nicht traurig sein. Morgen darfst du mich wieder bringen, ihr könnt euch immer abwechseln."
  • Wir haben ein Päckchen für eine Nachbarin angenommen und ich schicke den Keks, um es ihr zu bringen. Dabei muss ich im Hausflur stehen bleiben, um ihm im Zweifel das Licht wieder anzumachen. Ich höre, wie er klingelt, die Tür geht auf. "Hallo, ich bin der Leon, ich wohne auch hier im Haus und wir haben ein Paket für sie angenommen. Dann noch einen schönen Abend."
  • Der Keks war mit Oma und Opa unterwegs. Als er wiederkommt beschließen wir, dass wir noch in einem Café ein Stück Kuchen essen wollen. Überraschend spielt dort eine Jazz-Band. Der Keks setzt sich allein auf einen Stuhl, schaut zu und steht irgendwann auf, wippt mit dem Fuß mit und tut so, als würde er auch Saxophon oder Kontrabass spielen. Als wir gehen wollen und ich zahle, steht die Chefin des Cafés neben mir und sagt "Also ich muss ihnen mal was sagen, das mach ich ja sonst jetzt auch nicht so. Wir sind ja alle ganz verliebt in ihren Sohn. Wie lieb der  ist und gut erzogen, das hatte ich noch nie, dass ein Kind in dem Alter mich siezt und bitte und danke sagt, wenn es etwas möchte oder bekommt. Da können sie wirklich stolz drauf sein."
Ich könnte drölftausend solcher Geschichten aufzählen, würde mir dabei immer sehr angeberisch vorkommen und doch sind das die Momente, in denen ich merke, dass ich so schlecht gar nicht sein kann. Wir hatten eine ziemlich schwere Zeit, als wir allein anfangen mussten und doch sind wir da durch gekommen und heute ist unser Band stärker, als ich es je für möglich gehalten habe. Ich habe - und das sag ich total objektiv - das offenste, ehrlichste, liebste, schönste, besteste Kind auf der ganzen Welt und möchte nicht eine Sekunde von meiner Zeit mit ihm eintauschen.



Und wie bin ich drauf gekommen, das alles aufzuschreiben? Vor einiger Zeit hab ich bei Lucie Marshall einen Post gesehen, der die wunderbare Überschrift #momsrock trug und Mamas ermutigt, auch mal zu sagen, dass man gar nicht alles so schlecht macht. Zwischen Mamas gibt es häufig den Wettkampf, wer das am besten mit seinem Kind hinkriegt und als hätte man nicht selbst schon oft genug Zweifel, kommen dann immer mal wieder die Blicke und Sätze anderer Mütter. Deshalb hilft es total, wenn man sich einfach mal vor Augen führt: SO SCHLECHT BIN ICH ALS MAMA GAR NICHT UND DAS DARF DIE WELT RUHIG AUCH WISSEN!




1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dein Kleiner scheint wirklich toll zu sein, wie du es beschreibst. Da kannst du nur alles richtig gemacht haben.

Alles Liebe
Sina